„Glockendienst“ zur „Ausgangssperre“

American Samoa (Juli 2022)

American Samoa ist schon ein bisschen ein seltsames Fleckchen Erde. Die Bevölkerung ist gemischt: Amerikaner und Samoaner. Das Leben ist stark amerikanisch, die Pick-up Trucks sind groß und überausgestattet, die Supermärkte führen amerikanische Marken und die Tiefkühlabteilung ist gefühlt größer als der Rest des Marktes. Waschsalons sind ebenfalls überdimensioniert. Es gibt überall Fast Food Läden. Darüber hinaus ist American Samoa jenes US Gebiet (einschließlich USA selbst) mit dem relativ zur Bevölkerung höchsten Anteil an Militärangehörigen. Es gibt auf der Insel eigene Recruiting Center von Air Force und Army sowie ein eigenes Veteran Hospital. Für die Samoaner ist es eine der wenigen Möglichkeiten zu einer guten Ausbildung zu kommen. Interessanterweise bewahrt sich aber American Samoa ihr eigenes Einreiserecht, sonst hätten wir auch mangels eines US Visums nicht einreisen dürfen (für die See-Einreise auf eigenem Kiel in die USA braucht es grundsätzlich ein Visum, da reicht ein ESTA nicht aus). Andererseits haben die Samoaner ihre eigene Kultur, die extrem religiös geprägt ist. Es gibt gefühlt 10 mal so viele Sitzplätze in Kirchen wie es Einwohner gibt. Kirchen gibt es wirklich an jeder Ecke, da kann es schon mal einen Weiler mit 2 Wohnhäusern und drei Kirchen geben. Um den Grundbesitz zu manifestieren, werden die Verstorbenen im eigenen (Vor-)garten begraben, oft mit überdimensionierten Grabsteinen, manchmal auch mit Mini-Mausoleum.

Gleich bei Ankunft werden wir von anderen Seglern gewarnt, dass man sich Abends nach dem Glockenläuten auf der Straße für eine kurze Zeit hinsetzen muss. Wir wollen es erst nicht richtig glauben, aber die Sache läuft auf der Hauptinsel folgendermaßen ab: Überall hängen alte leere Gasflaschen rum. Sobald diese um ca. 18 Uhr von den Leuten mit „bell duty“ (Glockendienst) geschlagen werden (und das hört man dann wirklich überall, denn der Abstand zwischen den hängenden Gasflaschen beträgt tlw nur 100m), wird man selbst als Tourist auf der Straße hingewiesen, dass es gleich einen „curfew“ (Ausgangssperre“) gibt. Dazu hat man uns auch gleich eine Empfehlung gegeben, wo wir uns am besten hinsetzen sollen, in unserem ersten Fall war das die Bank einer Bushaltestelle. Das erste Mal Läuten ist sozusagen die Vorwarnung. Beim zweiten Mal Läuten beginnt die „Ausgangssperre“, die natürlich keine echte Ausgangssperre ist, aber es bedeutet, dass man sich tatsächlich nicht weiterbewegen darf. Nach knapp 10 Minuten gibt es ein drittes Läuten, das das Ende bekannt gibt und man weitergehen darf. Traditionell handelt es sich um eine Gebetszeit. Die Logik ist eigentlich, dass man bis 18 Uhr von der Arbeit zu Hause ist und die Gebetszeit in Ruhe daheim mit der Familie verbringt. Das Interessante: wenn man den Locals so während dem „Beten“ zuschaut: da wird telefoniert, am Handy gespielt, etc., aber man sitzt halt irgendwo und geht nicht rum. Auf noch kleineren Inseln sollen sogar die Autos an den Straßenrand fahren und stehenbleiben.

Ein weiteres „religiöses“ Erlebnis haben wir, als wir zu einem Strand ganz im Westen der Insel fahren. Hier ist der Punkt an dem man immer als Letztes eines Kalendertages landbasiert den Sonnenuntergang genießen kann (direkt westlich davon verläuft die Datumsgrenze und es gibt wohl keine andere Landmasse, die so nah an die Datumsgrenze heranreicht). Hinter dem Strand ist eine kleine Siedlung mit einer netten Kirche. Vicky möchte die Kirche besichtigen und geht in Richtung Eingang. Da kommt die Bewohnerin des benachbarten Hauses heraus und fragt gleich, was wir hier machen. Ah, Kirche besuchen, schon ok, aber vorher fragen. Soweit so gut, dann erzählt sie mit beinahe Schnappatmung von einem ihrer Meinung nach krassen Erlebnis, dass sie tags zuvor, einem Sonntag hatte: Da kamen wohl Touristen auf den Strand und wollten tatsächlich Fotos vom Strand machen. Das geht natürlich nicht, weil Sonntag. Die Touristen haben ihr dann erklärt, dass sie aber nur einen Tag auf der Insel haben und so gerne Fotos von dem Strand hätten. Daraufhin hat sie, also die Bewohnerin des Gebäudes hinter dem Strand, den Touristen die Erlaubnis erteilt am Sonntag Fotos vom Strand zu machen. Es ist ihr aber sichtlich extrem schwer gefallen.

Abseits der religiösen Erlebnisse muss man aber sagen, dass die Samoaner ein super freundliches und lustiges Volk sind. Ein Erlebnis sind die Busfahrten. Das sind umgebaute Pick-up Trucks mit Holzaufbauten und Holzbänken hinten drauf. Laute Musik ist Pflicht, vermutlich kosten die Musikanlagen mehr als der restliche Umbau. Man hat uns sogar Bustickets spendiert, weil wir wegen eines Missverständnisses mal zu weit gefahren waren.

Unabhängig davon sind wir recht happy ausnahmsweise mal keine relevanten Bootsarbeiten auf der Liste zu haben. Trotz der krassen Wellen auf der Überfahrt gab es keinerlei Schäden oder relevante Abnutzungen. Nur einen Hammer haben wir im hiesigen Baumarkt zu ersetzen, der ist uns bei der Abfahrt von Bora Bora ins Wasser gefallen 🙂

Nach einer Woche mit Kirchenbesuchen, Wanderungen und einigen Treffen mit den langzeit liegengebliebenen amerikanischen Seglern geht es für uns weiter nach Fiji, konkret nach Savusavu – was unsere Doppelnamen Route komplett machen wird: von Bora Bora nach Pago Pago nach Savusavu.