Schwere Entscheidung

Kriegsähnliche Zustände im südlichen roten Meer werfen alle unsere weiteren Pläne über den Haufen

Grundsätzlich muss man beim Segeln immer flexibel bleiben, man weiß nie was passiert. Mal spielt das Wetter nicht mit, mal geht was kaputt und alle Pläne werden über den Haufen geworfen. Zu Corona Zeiten kamen auch noch all die Unklarheiten bzgl. möglicher und unmöglicher Einreisen dazu. Jetzt also bewaffnete Konflikte (das folgende Bild zeigt nur die Anfänge, es kommt danach noch zu viel mehr Angriffen)

Für Weltumsegler auf der Passatwindroute, auch Barfußroute genannt (weil es so gut wie immer warm ist) gibt es grob gesprochen 2 Möglichkeiten zwischen Asien und Amerika, respektive von Asien nach Europa zurückzukehren: entweder von Asien kommend über den nördlichen Indischen Ozean und durch das Rote Meer und den Suez Kanal ins Mittelmeer und dieses dann über die Straße von Gibraltar Richtung Atlantik verlassen (letzteren hatten wir ja schon zu Beginn unserer Reise gemacht). Oder aber von Asien den Indischen Ozean in Richtung Südafrika überqueren, das Kap der Guten Hoffnung umrunden und dann den Atlantik wieder nach Norden, entweder nach Brasilien oder direkt in die Karibik. Oder für jene, die so nach Europa zurückwollen, wäre der kürzere Weg direkt nach Norden auf die Azoren zu segeln.

Natürlich ist die letztere Variante über Südafrika deutlich länger, egal ob man „nur“ in die Karibik will oder eigentlich zurück ins Mittelmeer. Sie ist auch die seglerisch deutlich anspruchsvollere sowie ungemütlichere, auch wenn das Rote Meer ebenfalls kein Anfängergebiet ist. Über Jahre der Piraterie vor Somalien und Jemen war die Route durchs Rote Meer für Segler ein No Go, das hat sich auch erst in den letzten Jahren wieder halbwegs gelegt. Als wir unserer Reise gestartet haben gab es noch eine klare Empfehlung dort nicht zu segeln, das hat sich tatsächlich erst in den letzten 1-2 Jahren geändert.

Nun machen also die Huthi Rebellen mit ihren Angriffen auf die Schiffahrt als Reaktion auf den Gaza Konflikt dem Ganzen wieder einen Strich durch die Rechnung. Wir beschäftigen uns detailiert mit der Situation, sowie den möglichen Szenarien wie sich das entwickeln könnte. Eine wesentliche Frage an der Stelle ist: würden wir bei der aktuellen Lage da durchsegeln (wollen) oder nicht. Wir tauschen uns auch mit vielen anderen Seglern aus. Einer davon ist pensionierter Offizier der französischen Navy, der auch eine Zeit lang auf einer Fregatte mit Basis in Djibouti in der Region gedient hat. Wir versuchen so viel wie möglich an Information zusammenzutragen.

Wir kommen letztendlich zu dem Schluß, dass wir bei aktueller Lage dort nicht durchsegeln wollen. Die meisten Segler, die wir kennen, sehen das ähnlich. Natürlich gibt es auch ein paar Hartgesottene, die meinen, sie würden ziemlich sicher trotzdem dort durchsegeln.

Man muss dazu auch wissen, dass die insgesamt instabilere Lage selbst die somalischen Piraten wieder auf den Plan ruft. Selbst wenn man heil durchkommt, ist man aber über ~3 Wochen hinweg im Gefahrengebiet unterwegs, emotional ein riesen Stressfaktor. Wer möchte kann ja mal die Bücher von jenen Leuten lesen, die zB über ein Jahr lang in somalischer Geiselhaft waren.

Die nächste wesentliche Frage: glauben wir, dass sich die Lage innerhalb ~3 Monate, also bis ca März (denn dann wären wir dort) stabilisiert oder nicht. Eine der Problematiken hat mit Segeln und Winden zu tun. Einfach drauf loszusegeln und dann erst vor Einfahrt in den unsicheren Bereich zu entscheiden, geht nicht so einfach. Man kann nicht einfach umdrehen. Man müsste ein paar Monate auf die andere Monsoonsaison warten, dann könnte man zurück nach Thailand segeln, aber was dann? Ein einfaches Umschwenken nach Südafrika ist auch nicht ganz so einfach, denn man kommt auf der Südhalbkugel in die Wirbelsturmsaison, wenn man nicht zuwartet. Auf all diese Risiken wollen wir uns nicht einlassen. Deswegen müssen wir jetzt eine Entscheidung fällen.

Damit geht es zurück auf Los mit der Frage, was uns denn eigentlich wichtig ist, was wollen wir? Wir haben Segelfreunde, die entscheiden sich dazu ein Jahr in Südostasien zu verbringen und dann aufs neue zu schauen. Einige andere planen alles weitere für die Passage nach Südafrika. Wir kommen zu dem Schluss, dass 4 Jahre Weltreise für uns gut und genug sind, wir wollen im Sommer 2024 jedenfalls wieder zu Hause sein. Damit scheidet auch Südafrika aus, denn auf Grund der Strecke und der Windsaisonen wären wir dann erst ein Jahr später wieder zurück.

Damit bleibe noch die eine Überlegung, ob wir unsere Yacht in Thailand oder Malaysien verkaufen und einfach heimfliegen. Aber zum Einen fänden wir ein derart abruptes Ende der Reise schade und zum andere ist der Markt in Südostasien mit Booten übersättigt.

Nun, wir entscheiden uns also dazu, unsere Yacht per Frachtschiff ins Mittelmeer bringen zu lassen. Auch das bedarf dann erstmal entsprechender Planung und eines entsprechenden Reeders, der soetwas macht. Nun gibt es zwar einige Firmen, die grundsätzlich die Route von Phuket in die Türkei teilweise sogar monatlich befahren. Nur sind auch deren Pläne durch die Lage im südlichen Roten Meer durcheinander geraten. Glücklicherweise finden wir ein Unternehmen, dass auch zeitnah ein Schiff organisiert. Noch wissen wir zwar nicht welche Route dieses Schiff nehmen wird (und damit wie lange denn diese Passage dauert), aber wir bleiben halt flexibel.

Für uns bedeutet das aber erst mal, dass wir etwas Zeit haben und uns überlegen, welechen Gegenden, die wir jetzt mit unserem Schiff „verpassen“, uns derart wichtig sind, dass wir sie trotzdem bereisen wollen. Ganz oben auf der Liste steht Socotra, also los geht’s, halt dieses mal per Flieger.

Update zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Blogbeitrags: Den oben beschriebenen Entscheidungsprozess durchliefen wir wenige Tage vor Weihnachten 2023. Hier noch ein aktuelleres Bild zur Lage in der diskutierten Region aus der zweiten Februarhälfte 2024: