Los Roques Teil 1: Ein Planungs- und Einreiseabenteuer
Unsere Geschichte zu den Los Roques hat drei Teile:
- Teil 1: Sollen wir oder sollen wir nicht – Ein Planungs- und Einreise-Abenteuer
- Teil 2: Ein Dorf im Nirgendwo – El Grand Roque
- Teil 3: Und wieder ein Paradies – das Archipelago Los Roques
Wem Los Roques nichts sagt, und wer ggf auch nach der Befragung des Internets nicht viel schlauer ist, ist in guter Gesellschaft. Es handelt sich um ein zu Venezuela gehörendes Archipelago, ca 150km Seemeilen vor der Festlandküste, das außerhalb von Venezuela nicht wirklich bekannt ist. Einige Segler es kennen als schönen Aufenthalt auf dem Weg von den West Indies zu den ABC Inseln. Viele aber meinen auch, es sei zu gefährlich und zu Corona Zeiten außerdem die Einreise zu komplex und die Einreise in das Folgeland nicht möglich oder mit langer Quarantäne verbunden.
Wir hatten die Los Roques immer schon „auf dem Zettel“, insbesondere weil alle von den wenigen Leute, die die Los Roques wider aller Neinsager doch besuchen, begeistert davon erzählen. Wir waren uns aber trotzdem unsicher ob wir es wagen sollen, weil es beinahe unmöglich ist, aktuelle Information bzgl. der Möglichkeit und der Formalitäten (inkl. der Corona relevante) zur Einreise zu bekommen. Das wirkt irgendwie aus der Zeit gefallen und hat uns selbst überrascht. Online findet man nichts, oder nur sehr alte Information. Eine Yacht Agentin, zu der wir bereits im Juni Kontakt hatten, wollte uns nicht mehr unterstützen. Es blieben 2 Leute, die wir über Social Media gefunden haben, die im Juni respektive Juli auf die Los Roques gesegelt sind. Alle anderen Leute rieten uns explizit ab, teils wegen Priateriegefahr, teils mit angeblich echten Stories, dass man danach von Bonaire oder Curacao abgewiesen wird und gleich weiter nach Kolumbien oder Panama geschickt wird (was wir keinesfalls wollten). Letztere Geschichte kam sogar von einer „offiziellen“ Vertreterin des Caribbean Safety Networks, einer losen Gruppe, die die Sicherheitslage für Segler in der Karibik beobachtet. Aber jene Leute haben halt auch gemeinsam, dass sie in den letzten Monaten nicht auf Los Roques waren.
Bzgl. Pirateriegefahr wussten wir, auch von einem Local aus Los Roques, den wir in Grenada getroffen haben, dass das spezifisch für die Los Roques nicht stimmt, und wir die Route ab Grenada einfach mit „Respektabstand zu den anderen venezolanischen Inseln planen müssten“ um den Umständen entsprechend sicher zu sein. Bzgl. der Einreise wussten wir von den 2 Social Media Freunden, dass es aktuell Corona bedingt abwechselnd eine „offene“ und eine „geschlossene“ Kalenderwoche gäbe. Also wenn geschlossen, wird man abgewiesen und muss weitersegeln. Wir kannten den Wochenrythmus von diesen Leuten aus dem Juni und Juli, wussten aber natürlich nicht ob sich der Rhythmus ggf seither geändert hat. Wir vermuteten, auf Basis des Einreiseprotokolls aus dem Juni, dass man mit negativen PCR Test vom Abreisehafen einreisen darf, aber eben auch nicht ob diese Info aktuell noch Gültigkeit hat. Dazu kommt, dass wir kein Spanisch sprechen, die Locals vor Ort kein Englisch.
Mit etwas Abenteuerlust und den Gedanken, ob das wohl alles klappen wird, brechen wir also am 27. Oktober auf, und wollen es einfach probieren. Die Überfahrt verläuft ohne große Vorkommnisse, eine Segel geht kaputt, wir passieren eine „Explosives Dumping Area“, wir haben weniger Wind als vorhergesagt, lassen insofern den Motor teilweise etwas nachhelfen, damit wir am Ankunftstag auch ausreichend Zeit für die elaborierten Einreiseformalitäten haben.




Von den Erzählungen zum Einreiseprozess wissen wir, dass es für jede Crew anders war und jede Crew auch andere Gebühren zahlte. So sollte es dann auch für uns sein, alles anders, aber deswegen heißt es ja auch Abenteuer. Wir kommen am Freitag den 29. Oktober vor Grand Roque an, der einzigen Insel mit Dorf, und der Insel auf der man Einklarieren muss. Wir werfen den Anker, machen Klarschiff und frühstücken erst mal in Ruhe.
Dann die erste große Frage: kommt die Küstenwache zu uns oder dürfen wir trotz der Coronasituation an Land und sollen wir zur Küstenwache? Wir beobachten per Fernglas das Gebäude der Küstenwache, und wie ein paar Leute deren kleines Boot klar machen und von der Boje zum Dinghysteg verlegen. Als die dort aber ablegen fahren die irgendwohin. Ein anderes Dinghy fährt an uns vorbei, wir winken es herbei und klären per „Hand und Fuß“ mit einem freundlichen Venezolaner, dass wir zur Küstenwache sollen. Wir sind das einzige ausländische Boot in der „Bucht“ und mit gelber Flagge ist auch recht klar, dass wir noch einreisen müssen. Also packen wir Dokumente und Geld ein, machen das Dinghy klar und machen uns auf den Weg.



Der Blick auf Grand Roque vom Ankerplatz aus, und später zurück auf Ibex
Bevor wir es zur Küstenwache schaffen, kommen wir an einem Iglu-artigen Gebäude mit Menschen mit Mund-Nasen-Schutz vorbei. Zufällig verstehen wir, dass diese Leute den „Medical Check“ der Einreise machen und das ohnehin für uns als erstes ansteht. Wir bekommen unsere PCR Test Ergebnisse von Grenada abgestempelt und erklärt, dass wir als nächstes zum Hafenmeister (zu Spanisch Capitaneria) müssen, der heißt auch dann so, wenn es keinen Hafen gibt. Wir finden diesen mit Hilfe ein paar anderer freundlicher Locals in einem Container, in dem der Hafenmeister auch samt Anhang wohnt. Er öffnet halbnackt, und deutet, wir sollen erst mal warten – wir vermuten, damit er sich anziehen kann – richtig geraten. Nachdem er den Stempel auf unseren PCR Test Ergebnissen gecheckt hat, dürfen wir eintreten, es geht durch sein Wohn-/Schlafzimmer in sein Büro. Wir bekommen Sessel hingestellt, dürfen uns setzen – könnte ja länger dauern – und unsere Papiere vorlegen: Pässe, Seebrief, das Ausklarierungsdokument von Grenada. Er versucht dann sein spanisches Hafenmeisterformular auszufüllen und sucht sich hierfür mühsam die Infos unseren Dokumenten zusammen. Währenddessen muss er immer wieder an den Funk, aber was er da quatscht verstehen wir natürlich nicht. Dann greift er zum Telefon, ruft jemand an, spricht eine Runde Spanisch und hält uns dann das Telefon hin. Die Lady am Rohr spricht in der Tat Englisch, und erklärt uns was der Hafenmeister uns sagen möchte. Wir dürfen 14 Tage bleiben und wenn wir 20USD bezahlen, macht er die Papier auch gleich für die Ausreise fertig (in der Realität bedeutet das, dass er am gleichen Formular auch das Ausreisedatum einträgt und abstempelt, mehr nicht).
Von hier aus geht es nun zur Küstenwache. Wir treffen auf einen eigentlich recht jungen Burschen, der ein paar Brocken Englisch spricht und versucht diese auch zu nutzen. Wir legen wieder unsere gesammelten Dokumente vor, jetzt auch mit dem Ding vom Hafenmeister. Damit befüllt er ein dickes Buch, ist aber mit unserem Ausklarierungspapier von Grenada nicht zufrieden. Wir denken bereits, oh oh, der macht uns jetzt Probleme. Konkret wird das Papier in Grenada (und anderen Ländern der West Indies) automatisch aus einem System erstellt, das man vorab online ausfüllt. Dort gibt es aber die Los Roques nicht als nächsten Hafen auszuwählen, sondern nur die Nachbarinseln Isla las Aves. Nach fünfmal zucken, begnügt er sich aber damit und kündigt uns noch einen Besuch an Bord am Folgetag an, für einen „Maritime Safety Check“ – für uns unklar was das soll, aber „Bestechungsrum“ ist ohnehin gebunkert und letztendlich taucht er nicht auf.
Als nächstes spazieren wir ans andere Ende des Dorfes zum „Flughafen“. Eine kleine Landebahn für Propellermaschinen mit kleinem Abfertigungsgebäude und einem Tower, der aussieht wie ein Baumhaus. Hier kommen primär an Wochenenden reiche Venezolaner an, die es sich am Wochenende auf den Stränden der Los Roques gut gehen lassen wollen. Davon lebt die Insel in erster Linie, es ist ein Touristenort, aber eben fast ausschließlich für Inlandsbesucher. Wir müssen zuerst ins Administrationsbüro um Gebühren wofür auch immer und den Eintritt in den Nationalpark zu zahlen. Dafür bekommen wir auch in der Tat eine Quittung und einen kleinen Wimpel für die Yacht, damit alle weithin sehen, dass wir auch brav gezahlt haben. Hier kommunizieren wir über Google Translate am Handy der Beamtin, das ist langsam, aber funktioniert auch.

Der „Flughafen“, mit Dinghysteg, aber ohne Autoparkplatz
Als letztes geht es dann neben an zur Grenzbehörde für die eigentliche Einreise. Hier werden die Pässe gestempelt, wir zahlen natürlich auch nochmal und erhalten das Einklarierungsdokument. Leider ist es hier nicht möglich auch die Ausreise gleich abzuwickeln (für andere Segler war das möglich, wir erfahren, dass es formal illegal ist). Also werden wir vor der Ausreise hier wieder vorbeikommen müssen. Insgesamt wäre noch zu erwähnen, dass in dem gesamten Prozess kein einziger Computer involviert war, es gab dicke Bücher mit Registereinträgen, Formulare die handschriftlich befüllt wurden, Stempel an denen der Griff fehlte – aber keinen Computer.
Nach insgesamt drei Stunden haben wir es geschafft, auf Ibex kommt die Q-Flagge runter und der Nationalparkwimpel rauf und wir sind legal eingereist. Wir stellen aber auch fest, dass wir eine neue Herausforderung haben: entgegen unserer Informationen, ist es nicht möglich auf Grand Roque einen PCR Test zu machen. Man kann zwar Antigentests machen, aber die akzeptiert Bonaire nicht. Hier noch eine weitere Stilblüte der Los Roques: Man kann einen Antigentest in der Ambulanz der Insel kostenlos bekommen, das erklärt uns Krankenschwester Emily, die auch etwas Englisch spricht. Die Alternative ist, man macht den Test am „Flughafen“, dort zahlt man 80USD dafür, der Abstrich wird genommen, und dann trägt jemand den Abstrich die ~200m auf der Sandstraße zur Ambulanz für die Analyse.

Fertig eingereist
Es stellt sich also in der Tat das Problem der Einreise in Bonaire (oder einem nächsten anderen Land) und fürs Organisieren ist heutzutage eine Internetverbindung unabdingbar. Wir versuchen eine lokale SIM Karte zu bekommen, damit wir zumindest auf Grand Roque online gehen können, aber wie vermutet scheitern wir dabei. Unsere einzige online Möglichkeit ist eine Unterkunft, eine Lodge, die ein sehr langsames satellitengestütztes WiFi für seine Gäste hat – wir bezahlen ein paar Dollar und dürfen das WiFi nutzen und starten das Projekt Einreise in Bonaire. Glücklicherweise können wir dieses ein paar Tage später, mit ein paar weiteren einfachen Emails über unsere Kurzwellenfunkanalage mit Marina, Gesundheitsbehörde, Grenzbehörde und Covid Test Center auf Bonaire sowie Unterstützung unserer Shore Crew zu Hause (Danke dafür!!!), die uns einen PCR Test für die Ankunft in Bonaire online bucht, auch erfolgreich erledigen.
Für die Ausreise knapp 2 Wochen später segeln wir nochmal noch Los Roques, bekommen bei der Grenzbehörde unsere Pässe gestempelt (ohne etwas zu zahlen), und gehen sicherheitshalber nochmal zum Hafenmeister. Es ist uns nicht ganz klar welches Dokument unser Ausreisedokument (in den spanisch sprechenden Ländern heißt das Ding „Zarpe“, das ist fürs Schiff, listet aber auch die Crew) sein soll. Das Einreiseteil bekamen wir bei der Grenzbehörde, die sagen aber, sie wissen nichts von einem Zarpe, wir sollen den Hafenmeister fragen. Dieser ist sich selbst nicht ganz sicher, also nimmt er das Formular, dass er uns bei der Einreise ausgefüllt und abgestempelt hat (wir wissen nach wie vor nicht wofür das eigentlich ist), schreibt auf die Rückseite handschriftlich einen Satz und haut seinen Stempel drauf und fertig ist das Zarpe a la Los Roques.
Wir wollen diese Erfahrung nicht missen, auch wenn es ex ante mit etwas Bauchweh verbunden war. Wir wissen aber, dass der Prozess in ein paar weiteren Ländern auf unserer Route noch komplexer wird, insofern schon mal eine gute Übung oder Eingewöhnung. Letztendlich war unser „Bauchweh“ vorab aber unbegründet, es war primär durch die Unklarheit / Unwissenheit geprägt. Alle Leute, die wir auf Los Roques treffen, egal ob von Behörden oder Leuten auf der Straße, in Lokalen, sind super freundlich und hilfsbereit, trotz der Sprachbarriere. Wir haben auch nirgendwo das Gefühl über den Tisch gezogen zu werden, oder „Bestechungsgeld“ zu zahlen, auch wenn wir nicht jeden einzelnen bezahlten USD mit Quittung belegen können.