Wie läuft das so auf Passage?

Ist in der Nacht immer jemand wach? Ankert Ihr am Atlantik? Wir erklären mal wie eine Passage bei uns abläuft und beantworten einige der uns gestellten Fragen.

Insbesondere für Nicht-Segler ist die Vorstellung einer Passage, also ein mehrtätiges Segeln ohne irgendwo anzulegen, sehr weit weg. Wir bekamen immer wieder alle möglichen Frage hierzu, inklusiver einiger, die aus Segler Sicht recht lustig (weil abwegig) sind, wie zum Beispiel die Frage nach dem Ankern am Atlantik. Aber der Reihe nach: wie läuft das so bei uns auf Passage?

Vorbereitung

Erst mal geht es darum eine Passage gut vorzubereiten. Da gehören einige Dinge dazu: Das Schiff muss natürlich mit der richtigen Ausrüstung und funktionierender Systeme bereit sein. Da kann es schon mal vorkommen, dass man vor der Passage Reparaturen oder Optimierungen am Set-up durchführen muss. Da gehören auch so Checks wie Öl- & Kühlwasserstand am Motor dazu, wir prüfen die Seewasserfilter für Motor und Wassermacher, checken die Bilge und reinigen die Logge.

Reparaturen sind auch mal auf engem Raum nötig, gut wenn man gelenkig ist

Die Logge ist ein kleines Kunststoffrädchen, das in einer Art schraubbaren Kunststoffpfropfen sitzt, der im Vorschiff im Boden im Rumpf steckt. Bei Fahrt durchs Wasser treibt das vorbeiströmende Wasser das Rädchen an. Das Ding kann man herausdrehen und mit einem Blindpfropfen ersetzen (ja, dazwischen schießt Wasser durch die Öffnung, deswegen sollte man da schnell sein).  An dem kleinen Plastikrädchen setzt sich schon gerne mal Dreck oder Bewuchs an, dann läuft das Rädchen nicht mehr und man hat keine Geschwindigkeitsanzeige und keinen „Tacho“ mehr. Also wird das Ding mit Zahnbürste, Schleifpapier u.ä. gereinigt und wieder eingesetzt. Die Diesel und Wassertanks werden noch vollständig gefüllt. Auch wenn wir eigentlich segeln, sind volle Dieseltanks ein Sicherheitsthema: was weiß man, was passiert. Fürs Wasser gibt es auch den Wassermacher an Bord, aber auch der könnte ja mal ausfallen.

Das in der linken Hand ist die Logge – steckt normalerweise statt dem linken der beiden schwarzen Dinger im Rumpfboden

Die Provisionierung kann schon mal einen ganzen Tag dauern: Inventur der Lebensmittelvorräte, Einkaufsliste machen, einkaufen gehen. Was zu Hause mal so in einer knappen Stunde erledigt ist, dauert vom Schiff aus einfach länger: wo ist der nächste Markt auf dem man ungekühltes Obst und Gemüse bekommt (damit es sich am Schiff länger hält). Wo ist der nächste Supermarkt, wie lange braucht man da hin. Gibt es einen Supermarkt, der in die Marina liefert oder müssen wir alles selbst transportieren? Sobald die Lebensmittel beim Schiff sind geht es an die Ungezieferprävention: Verpackungen erst gar nicht aufs Schiff bringen –in Kartons sind zB schon mal gerne Kakerlaken Eier. Gemüse und Obst waschen wir bevor es an Bord kommt. Dann muss der ganze Kram verstaut werden, und zwar so, dass er möglichst lange hält. Obst und Gemüse zB luftig in Netzen, aber schön getrennt. ZB vertragen sich Bananen und Äpfel nicht gemeinsam, ebenso wenig Zwiebel und Paprika.

Die Bananen haben ihr eigenes kleines Netz (obwohl little ibex offensichhtlich keine Probleme mit Bananen hat)

Nebst der Lebensmittel, muss auch sonst sichergestellt sein, dass alles gut verstaut und verzurrt ist, dass bei Lage und Seegang nichts herumfliegt. Da gilt die Regel, alles was nicht niet- und nagelfest ist wird herumfliegen.

Die Route muss unter Berücksichtigung von Tide, Strömung und der Wettervorhersage geplant werden. Manchmal ist so eine Passage Route einfach der direkte Weg von Abfahrts- zu Ankunftshafen, manchmal braucht es aber euch eine Optimierung um guten Wind zu erwischen. Die Zeit des Aus- und Einlaufens um Abfahrts- respektive Ankunftshafen muss in Tidengewässern dem Tidenstand angepasst werden. Insgesamt muss das Wetterfenster natürlich passen. Also Wetterkarten checken, GRIB Daten herunterladen (das sind Wetterdaten in komprimierter Form, die man sich dann am Computer mit entsprechender Software grafisch darstellen kann). Ggf noch eine Wetterberatung bei Profis durchführen, falls man sich unsicher ist. Die Route mit GPS Wegpunkten festlegen und diese auf den Plotter übertragen. Und abschließend noch die GRIB Daten Abfrage für die nächsten Tage schon mal abschicken. Die Daten laden wir dann auf See über Kurzwellenfunk oder Satellitentelefon herunter.

Wir kochen typischerweise für die ersten Tage vor. Wir bleiben jedenfalls von (glücklicherweise oft nur leichter) Seekrankheit nicht verschont. Der Spuk ist nach ~2 Tagen auch wieder vorbei, weil sich der Körper dann an den Seegang gewöhnt hat. Aber eben gut, wenn man genau in der Zeit nicht allzu viel Zeit, wie zB zum Kochen, unter Deck verbringen muss.

Passage

Nach den ausgiebigen Vorbereitungen kann es dann losgehen. Ablegen, raus aus dem Hafen, Fender und Leinen noch verstauen, Segel setzen und trimmen und eintauchen in den Passagealltag. Bei relativ stabilen Winden, wie zB im Passatwind, ist seglerisch auf einer Passage gar nicht allzu viel zu tun. Oft kann man mit der gleichen Segelstellung tagelang dahinsegeln. Das Wetter checken wir trotzdem täglich und in Gebieten mit Squallaktivität heißt es Ausschau nach diesen Böenfronten halten. Die kommen schon mal recht schnell daher gerollt, bringen kurzfristig Starkwind aus anderer Richtung in Kombination mit heftigem Regen. Da heißt es dann schnell reffen (Segelfläche verkleinern) um Schaden zu vermeiden. Nach 15-30 Minuten ist der Spuk dann auch wieder vorbei. Sonst beschäftigt sich der Alltag auf Passage eher mit „Leben“ statt mit Segeln.

Kommt am Foto nicht so gut rüber – aber so siehts vom Cockpit aus in der Nacht aus (rechts der Plotter, in der Mitte drei Instrumente mit Geschwindigkeit, Wind, etc. Wenn es nicht gerad ganz zappen duster ist, kann man auch den Horizont erkennen.

Grundsätzlich muss natürlich immer eine(r) von uns für das Schiff verantwortlich sein, für Kurs, Segel, etc. Aber das ist eben nicht wie beim Autofahren, wo kontinuierliche Aufmerksamkeit erforderlich ist. Es geht eher darum so alle 15-20 Minuten mal einen Rundumblick zu machen und das Wesentlichste zu checken. Stehenbleiben und Pause machen, wie mit dem Auto am Straßenrand ist einfach nicht. Das Wasser ist nun mal zu tief um Offshore zu ankern. Typischerweise wären ca 25m die tiefste Wassertiefe, bei der wir noch ankern würden. Die hat man aber nach wenigen Minuten überschritten, nachdem man sich vom Land entfernt hat. Es gibt beim Segeln eine Art „Pausemanöver“, bei dem man die Segel derart einstellt, dass man nicht mehr vorwärts segelt, sondern mehr oder minder auf der Stelle bleibt, respektive nur leicht abgetrieben wird. Das entbindet einen aber nicht von der Pflicht die Umgebung und insbesondere den Verkehr zu beachten, denn man ist dann nach wie vor „in Fahrt“ und muss die „Verkehrsregeln“ fürs Meer beachten.

Hier eine Situation mit etwas mehr Verkehr (Gibraltar), Offshore ist dann aber auch häufig gar kein Schiff am Display, auch in der kleinsten Zoomstufe nicht

Also muss wie gesagt immer jemand Wache haben. Wir haben allerdings keine festen Wachzeiten sondern machen das eher flexible entlang eines groben Tagesablaufs: Typischerweise macht Vicky die erste Nachtwache und Florian geht bei Sonnenuntergang schlafen. Vicky macht das so lange sie sinnvoll kann, das ist mal halb eins, mal 2 Uhr morgens. Dann macht Florian bis in der Früh: je nach Müdigkeit und Fitness, geht das dann mal bis 7 oder 8 Uhr. Dann übernimmt Vicky wieder, Florian pennt nochmal für 2-3 Stunden, danach geht Vicky nochmal ein Nickerchen machen. So irgendwann gegen 13 od 15 Uhr sind wir im Wesentlichen wieder ausgeruht, ohne Müdigkeit über mehrere Tage zu kumulieren. Das bedeutet aber auch, dass wir nur für ein paar Stunden am Nachmittag gemeinsam wach sind.

Ein kleiner Trick bei der Nachtwache ist noch der 15-20 Minuten Schlaf, der macht die ganze Sache einfacher: sobald man müde wird, Vibrationsalarm in der Hosentasche für 20 Minuten stellen und im Cockpit hinlegen. Wenn der Alarm weckt, ein Mal Rundumblick, Systeme checken (Kurs, Geschwindigkeit, Segel, Radar, AIS, etc.), und den Alarm wieder auf 20 Minuten stellen. Auf diese Art kann man schon mal nach erster Müdigkeit nochmal 2 Stunden Wache dran hängen. Der Grund für ca 15-20 Minuten ist ganz einfach: Ein anderes Schiff, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade noch nicht am Radar oder AIS sieht, ist nach 15-20 Minuten noch immer weit genug weg um sinnvoll ausweichen zu können.

Auf der Passage selbst gebackenes und damit frisches Brot

Den Rest des Tages beschäftigt man sich mit Kochen, Brotbacken, Essen, Waschen, ggf. Fischen (haben wir bisher noch nicht gemacht, kommt aber noch), lesen, etwaigen Reparaturen an Bord, etc. Die Zeit vergeht dabei relativ schnell. Insgesamt funktioniert das ganz gut. Herausfordernder wird es bei unvorhergesehenen Dingen. Wenn zB nachts Segelmanöver anstehen, die wir nicht alleine machen (zB Wechsel von Parasail auf Genua, etc.). Das bedeutet natürlich, dass eine(r) aus dem Schlaf gerissen wird. Wenn es sich dann noch um ein anstrengenderes Manöver handelt, kann das den Schlafrhythmus ganz schön durcheinander bringen und durchaus mal 24 Stunden dauern, bis man sich davon wieder erholt hat. Uns ist das zB in der ersten Nacht auf der Strecke Gibraltar-Las Palmas passiert. Laut Wettervorhersage hätten wir mit dem Parasail durchsegeln können, ging dann aber wegen Windstärke und Richtung nicht. Den Parasail bei etwas stärkerem Wind einzuholen ist zwar ein normales Manöver, direkt aus dem Schlaf raus dann aber doch etwas mehr Action, als man sich im Träumeland eben gewünscht hat.

Es gibt auch die Tage, wenn man da Nachts im Cockpit ist, wo man sich denkt: „warum tu ich mir das eigentlich an?“ Keine Frage, das ist nicht immer alles super. Ein bisschen so, wie wenn man früh morgens für eine Bergtour aufsteht und sich denkt, mei, könnte heute auch ausschlafen. Man wird aber dann trotzdem belohnt. Ganz besonders sind auf See Sonnenauf- und untergänge. Wenn man rundum nur Wasser hat, kein einziges anderes Schiff in Sicht, und die Sonne mit Wolken ein Farbenspiel bietet. Das ist jedes Mal ein einmaliges Erlebnis, von dem man sich auch nicht satt sehen kann.

Ankommen: hier Nachtansteuerung von Cartagena nach 4,5 Tagen Passage

Ankommen

„Es sind nur mehr weniger als 48 Stunden bis zur Ankunft“ – dass wir jemals diesen Satz sagen würden, hätten wir uns auch nicht gedacht. Es ist irgendwie ein anderes Gefühl, wenn man sich dem Ende der Passage nähert, und das fängt schon recht früh an. Nur mehr 2 mal schlafen bis zum Anlegen … An der Stelle fängt dann auch die Rechnerei an wann man den nun ankommen würde, insbesondere ob bei Tageslicht oder im Dunkeln. Am letzten Tag schauen wir uns dann nochmal die Ansteuerung und den Ankunftshafen an, wie sind die Gegebenheiten, worauf ist zu achten (Untiefen, Felsen, Befeuerung, etc.). Am Ende heißt‘s Segel bergen, Fender und Anlegeleinen raus und rein in die Marina und anlegen. Je nach Tageszeit, chillen oder schlafen wir dann erst mal. Gut ausgeruht dreht sich dann wieder erst mal alles ums Schiff: das Deck und den Rumpf mit Süßwasser abspritzen, alles vom Salz befreien, die Innenräume reinigen (das ist Putzen wie daheim auch), Liste der notwendigen Reparaturen erstellen, etwaige notwendige Ersatzteile bestellen, Reparaturen durchführen, bei Bedarf Wäsche waschen, Lebensmittel für den Aufenthalt aufstocken (das läuft dann weniger generalstabsmäßig geplant ab, man kann ja jederzeit nachkaufen), etc.

Dann kommt der noch angenehmere Teil: was gibt es hier zu sehen und zu erleben, wollen wir mal mit Mietwagen über die Insel fahren, gibt es Berge zu besteigen, Buchten zum Baden zu erkunden, etc. Wir sind wieder im Reisekapitel, ggf kombiniert mit Tagessegeln entlang einer Küste oder nahen Inseln.