Passage Bonaire nach Santa Marta, Kolumbien
Mal so als Vorwarnung, es wird etwas nautisch in diesem Beitrag: Wenn man von den ABC Inseln nach Kolumbien möchte, muss man um die Puntas Gallinas, die Nordspitze Kolumbiens rum, und danach die Karibikküste Kolumbiens in den Süden. Je nachdem wie weit man möchte, geht es bis Santa Marta, Puerto Velero oder auch gleich bis Cartagena. Jedenfalls gilt die Passage der Puntas Gallinas und der folgenden Küste als das anspruchsvollste Segeln in der Karibik, und einige zählen es zu den fünf anspruchsvollsten Segelpassagen der Welt. Keine Ahnung wie das gezählt wird, aber ganz unabhängig davon ist es schon richtig vor den Puntas Gallinas Respekt zu haben. Das besondere ist die geringe Wassertiefe, die von dem Kap weit ins Meer hineinreicht. Verbunden mit den vorherrschenden Winden entstehen dort unangenehme und mitunter auch gefährliche Wellen. Dazu kommt der übliche Kapeffekt mit typischerweise stärkeren als vorhergesagten Winden. Es gehen dort regelmäßig Schiffe verloren, etwas was wir verhindern wollten. Direkt danach bietet die Küste starke nächtliche Fallwinde und je nach Saison in Folge ein Gebiet mit hohem Gewitterrisiko. Zu guter Letzt passiert man zwischen Santa Marta und Puerto Velero noch die Mündung des Rio Magdalena, der schon mal gerne auch ganze Baumstämme – und laut urban legend auch tote Kühe – ins Meer treibt.
Es ist also keine Strecke wo man mal blind drauf los segelt. Gute Planung, und genaues Studium der Wettervorhersage ist unabdingbar. Unsere Abfahrt planen wir so, dass wir in das Gebiet der Fallwinde nach 2 Nächten im Zuge des Morgengrauens kommen würden, um ausreichend Zeit zu haben das Gebiet noch tagsüber zu passieren. Ungemütlich wird es für uns allerdings gleich in der ersten Nacht, noch am Weg von Bonaire kommend mit dem Ziel Aruba nördlich zu passieren (hier gilt es wegen der Piraterie Gefahr der venezolanischen Küste nicht zu nahe zu kommen). Gewitter ziehen auf, und die Zellen sind recht nahe, auf einem Segelboot (Mast!) immer unangenehm. In Folge erwischt uns auch noch der für uns bisher stärkste Squall. Auf Grund der vielen Gewitter und Regenwolken war der Squall zuvor auf dem Radar nicht spezifisch auszumachen und erwischt uns kalt, inklusive „Boot aus dem Ruder laufen“ und ein mal Vollduschung des Steuermannes (in diesem Fall). Immerhin, wir können das Boot sehr schnell stabilisieren und gerade noch so reffen bevor der Starkwind aufkommt.
Die Puntas Gallinas passieren wir dann mit etwas mehr als dem empfohlenen Respektsabstand von 30 Seemeilen. Die Herausforderung hier: noch weiter draußen werden die Wellen dann auch wieder schlimmer, man muss also die richtige „Gasse“ finden. Wir denken wir haben da die Wettervorhersage gut gelesen, spüren die Gallinas nicht spezifisch und segeln auch vor der folgenden Küste zur richtigen Tageszeit um den Fallwinden zu entgehen. Nichtsdestotrotz haben wir gut Wind mit Böen gemessen bis 44 Knoten (ca 80 km/h; Windstärke 9; Sturm) und eine unangenehme kurze Welle (5-6s), mit einzelnen Wellen bis zu ca. 5m.

Wir denken an dieser Stelle mit großer Vorfreude an die typische Pazifikwelle mit einer Periode von 10s und mehr. Glücklicherweise sind wir spät genug in der Saison und die Sierra Nevada de Santa Marta schickt uns keine Gewitter auf See. Es handelt sich hier um das höchste Küstengebirge der Welt, mit knapp 6000m Höhe in einem Abstand zur Küste von unter 100km – beeindruckend. Wir kommen nach drei durchsegelten Nächten ziemlich erschöpft, aber ohne Schäden in Santa Marta an. Vor der Marinaeinfahrt noch 30 mal im Kreis gefahren, weil die Marineros eben nicht da sind und schon können wir anlegen und durchschnaufen.
