Kolumbien Teil 1: Dschungeltrekking zur verlorenen Stadt
In Kolumbien verlieben wir uns bereits wenige Tage nach Ankunft , obwohl wir zu dem Zeitpunkt noch nicht mal viel von dem riesigen und vielfältigen Land gesehen haben. Das wollten wir natürlich ändern. Neben der Erkundung von Santa Marta und des lokalen Bieres müssen wir zuerst noch ein paar Dinge am und fürs Boot organisieren.




Aber kurz darauf starten wir unser erstes Projekt: ein vier Tages Trek zur „Ciudad Perdida“, der „verlorenen Stadt“ und wieder zurück. Es handelt sich um eine Ruinenstadt, grob ähnlich dem viel bekannteren Machu Picchu der Inkas, auch wenn die Ciudad Perdida grob 650 Jahre früher gegründet wurde. Bevölkert wurde diese Stadt in den Bergen der heutigen Sierra Nevada de Santa Marta von den Tayronas, bis die Spanier Krankheiten brachten, die die Tayrona zur Aufgabe der Stadt zwangen. Und dies obwohl die Spanier die Stadt nie betreten hatten, aber es gab gemeinsamen Handel, der an der Küste stattfand. Insgesamt ist die Geschichte der Stadt und der Tayrona wahnsinnig faszinierend, vielschichtig und damit aber auch viel zu komplex um sie in einem kurzen Blogbeitrag relevant wiederzugeben. Hinzu kommt noch die Geschichte der Entdeckung (erst 1972) und die Komplexität der jüngeren Geschichte Kolumbiens, die auch im direkten Zusammenhang mit dem Zugang zur Stadt, der lokalen wirtschaftlichen sowie der Sicherheits-Situation in der Region zu betrachten sind. Nichtsdestotrotz hier der Versuch ein grobe Idee hierzu zu geben.
Wir machen uns früh morgens mit einem Jeep von Santa Marta aus auf in Richtung der Sierra Nevada. Zu Mittag kommen wir im letzten mit dem Auto erreichbaren Dorf an. Ab da geht es für uns zu Fuß weiter, und für sämtlichen „Nachschub“ auf Tragetieren. Nach dem Mittagessen stapfen wir also los, mit dem Ziel bis zum Abend das Camp 1 zu erreichen, bereits tief im Dschungel. Es geht gleich mal ordentlich den Berg rauf, auch wenn wir insgesamt über die 4 Tage, viel auf und ab gehen. Es gilt nicht nur den einen Berg zu erklimmen, sondern eine bergige Dschungelregion zu durchqueren, auch wenn es hin zur Stadt, dann schon eindeutig rauf geht.



Die verlorene Stadt ist für „Normaltouristen“ erst seit 2005 erreichbar. In dem Gebiet wurde zur Zeit der über ~60 Jahre bewaffnet ausgetragenen gesellschaftlichen Spaltung des Landes, lokale Bauern von bewaffneten Gruppen gezwungen Marihuana und Kokain anzubauen. 2005 schaffte es dann die Regierung die Region zu entwaffnen. Im „Gegenzug“ bekam die lokale Bevölkerung die Möglichkeit im Tourismus Geld zu verdienen. Der Gesellschaftliche Frieden in Kolumbien, dann erst 2016 errungen, steht allerdings auf wackeligen Beinen, die Situation bleibt herausfordernd. Wir werden hier darauf zurückkommen, wenn wir unseren Medellinbesuch beschreiben, wo wir uns noch eingehender mit dieser schwierigen Geschichte befassen. Insgesamt bedeutet diese Lage aber auch, dass dies alles nach wie vor wahnsinnig präsent ist. So gut wie alle Leute, die in der Region leben hatten in irgendeiner Form eine Rolle in dem vielschichtigen Konflikt. Und heute sind sie Tourguide, Koch, oder Tragetierführer (ja, es sind so gut wie alles Männer).
Nach einigem Auf und Ab auf dem immer schmäler werdenden Dschungelpfad erreichen wir Camp 1. Die Camps sind ausschließlich für die Trekker gebaut, die verlorene Stadt ist nur zu Fuß zu erreichen (vor einigen Jahrzehnten hat man Touristen per Hubschrauber eingeflogen, dann aber festgestellt, dass die Hubschrauber Landungen, die Grundmauern der Stadt beschädigen, heute finden dort Hubschrauberlandungen nur mehr in Notfällen statt). Die Camps haben abgesehen von einfachen Waschanlagen keine echten Gebäude, es sind überdachte Bereiche für Küche, Speisebereich und den Schlafbereich mit Stockbetten. Die Betten haben alle rundum Insektenschutz, ohne ginge es mitten im Dschungel nicht.



Wir trekken in einer Gruppe von 8 Leuten, haben einen local Guide, Sixto, einen Übersetzer, Abraham, und einen Koch mit dabei, Eucario. Letzterer eilt uns vorraus, damit das Essen bereits fertig ist, wenn wir wo auch immer ankommen. Selbst tragen wir nur unsere Wechselwäsche, Hüttenschafsack, Toilettsachen und Wasser für unterwegs. Die Lebensmittel kommen wie gesagt per Tragetier ins Hinterland.
Die Region rund um den Trek wird heute von „Ureinwohnern“ bewohnt, den Kogi. Ursprünglich waren sie ein Wandervolk. Auf Grund der Möglichkeiten mittels Tourismus rund um den Lost City Trek ein Einkommen zu erzielen, sind sie aber mehr oder minder sesshaft geworden. Am zweiten Tag können wir eines der Dörfer besuchen, und erfahren einiges über deren Lebensweise und Traditionen. Man kann die Spannung zwischen „Tradition bewahren“ und „mit der Zeit gehen“ geradezu fühlen. Es gibt Dörfer in die wir Touristen nicht hinein dürfen. Es gibt Kogi, die mit Touristen nicht mal sprechen würden. Dann gibt es aber auch den „Anführer“ (Selbstbezeichnung), der uns in traditionellen Gewand einerseits, aber (militär-)bestiefelt andererseits das Leben der Kogi erklärt. Die meisten der Kogis laufen Barfuß rum, oder wenn es regnet und schlammig wird in Gummistiefel, aber andere Schuhe besitzen sie nicht, naja, mit Ausnahme des eben genannten. Interessant ist aber auch, dass es in dem Dorf WLAN gibt, nicht für die Touristen, sondern für die Kogi. Aber auch unser Guide Sixto hat Access und nutzt den Stopp um mit seiner kleinen Tochter zu telefonieren.


Der zweite Tag ist der längste Tag. Nach dem Mittagessen in Camp 2 geht es weiter. Und nach einem 9 Stunden Tag erreichen wir Camp 3. Dort können wir am 3. Tag unser Gepäck erst mal zurück lassen, wir kommen am Rückweg am gleichen Tag wieder vorbei. Wir brechen früh morgens zu unserem eigentlich Ziel auf. Nach einem kurzen Stück dem Fluss entlang, geht es erst per Seilrutsche über diesen und dann 1200 Steinstufen zur Ruinenstadt hinauf.




Verlorene Stadt heißt sie übrigens weil sie vollkommen zugewachsen war, als man sie (wieder)entdeckt hat. Sie gilt heute als Archäologische Ausgrabungsstätte. Es wurden viele aber nicht alle Bereich freigelegt. Man kann viele der Grundmauern noch sehen. Zum Leben erweckt wird das ganze dann aber erst durch die Erzählungen unseres Guides. Wir können grob einen halben Tag in der Ruinenstadt verbringen. Sixto managed das auch klugerweise so, dass wir den Hauptteil für einige Zeit für uns haben, also ohne einer anderen Gruppe im Umfeld. Es ist ein riesiges Gebiet, wir besuchen Teile in denen gewohnt wurde, Teile in denen Handwerk betrieben wurde, Teile in denen „regiert“ wurde. Der schönste und bekannteste Anblick sind natürlich die großen „Rundterassen“, das Zentrum der Stadt.





Weil die Tayrona ursprünglich ein friedliches Volk waren, zogen sie von der Küste in den Dschungel und die Berge um den Angriffen anderer Völker zu entgehen. Da sie aber ohne Zugang zum Meer und den dortigen Ressourcen nicht nachhaltig überleben konnten, waren sie letztendlich gezwungen zu kämpfen wann auch immer sie zum Meer mussten. Sie machten aus der Not eine Tugend und wurden zu einem der effektivsten Völkern der Region im bewaffneten Konflikt. Selbst die Spanier trauten sich nicht in die Berge, nur die Krankheiten, die sie mitbrachten, zwangen die Tayrona in die Knie. Die Todesrate war so hoch, eine Erklärung nicht vorhanden, schließlich verstanden sie die Krankheiten nicht, sodass sie davon ausgingen, dass die Stadt mit einer Art Fluch belegt ist und diese verließen.
Nach unzählig geschossenen Fotos, geht es für uns die 1200 Stufen wieder hinunter und über den Fluss zurück ins Camp 3 zum Mittagessen. Am Nachmittag noch zurück bis zum Camp 2. Mittlerweile machen sich bei einigen Mitreisenden auch die ersten relevanteren Müdigkeitserscheinungen bemerkbar. Mehrtägige Trekkingbelastung mit Höhenmetern im vierstelligen Bereich sind die meisten Leute halt nicht gewöhnt. Dabei haben wir noch Glück, es regnet so gut wie nicht. Bei Regen wird der Weg zur einzigen Schlammrutsche. Am vierten Tag, geht es die gesamte Strecke von Camp 2 zum Ausgangsdorf zurück und am Nachmittag per Jeep wieder zurück nach Santa Marta. Vier Tage – ein Trek – eine „Stadt“ – ein beeindruckendes und bleibendes Erlebnis.