Die hohe Segel-Schule

Atoll Navigation und Ankertechnik

Hier wird es wieder mal etwas nautischer. Nach den Marquesas geht es für uns auf die Tuamotus, eine Inselgruppe bestehend aus grob 60-70 Atollen. Das sind im Wesentlichen sehr alte Vulkane, wo der Vulkan selbst bereits erodiert und damit nicht mehr vorhanden ist. Der Korallenring, der sich zu „Lebzeiten“ des Vulkans gebildet hat ist allerdings noch da. Somit ergeben sich diese „Ringe“ im Meer, schmale ringförmige Bänder von Land, die aber durchaus auch häufig unterbrochen sind, oder selten wirklich vollständige Ringe sind. Dort wo die Unterbrechung Größer ist, oder in manchen Fällen eine solche von Menschenhand geschaffen wurde, lässt es sich auch mit Yachten wie der unseren oder auch mit noch größeren Schiffen in die Lagunen der Atolle einfahren. Man nennt diese „Durchfahrten“ die Pässe der Atolle. Ein Atoll kann keinen, einen oder mehrere Pässe haben.

Einfahrt ins Kauehi Atoll (auf Basis Google Satellitenbild)

Zum einen muss man aber erst mal wissen wo genau die Atolle sind. Durch die sehr niedrige Landmasse sind sie von der Ferne nur sehr schwer auszumachen. Obendrein sind die Seekarten, egal ob auf Papier oder elektronisch für dieses Gebiet nicht zu 100% zuverlässig und genau. Insofern kommt da als erstes das Radar intensiver dran. Denn dieses kann das Land, aber auch insbesondere, die sich davor brechenden Wellen ganz gut erkennen, wenn man es richtig einstellt.

Das rechts oberhalb der Schiffsposition ist ebenfalls das Kauehi Atoll

Die Durchfahrt durch einen Pass muss dann spezifisch geplant sein, denn sie ist nicht zu jederzeit gefahrlos möglich. Dies liegt in erster Linie an den Gezeiten. Durch die Gezeiten hebt und senkt sich der Wasserspiegel. Da aber die jeweilige zusätzliche oder geringere Menge Wasser in die Lagune hinein oder eben aus der Lagune heraus muss, und das Wasser in erster Linie auch nur durch diese Pässe kann, kommt es dort zu mintunter starken Strömungen. Diese Strömungen können auch derart stark sein, dass wir zum Beispiel mit unserem Boot gar nicht dagegen anfahren könnten. Darüber hinaus treffen nun diese Wassermassen auf alle möglichen anderen Wasserbewegungen innerhalb und außerhalb der Lagunen, und so kommt es zu Strömungswirbel, stehenden Wellen und anderen durchaus sehr unangenehmen Dingen für ein Schiff.

Es gilt also herauszufinden wann möglichst „Ruhe“ in einem Pass ist. Dazu helfen natürlich Gezeitentafeln, denn irgendwann rund um Hochwasser und Niedrigwasser muss ja die Strömung mal kippen, und damit hat es zu dem Zeitpunkt keine Strömung. Da die Gezeitentafeln der renommierten Hydrografischen Institute für die gesamten Tuamotus in der Regel nur 1 oder 2 Orte vorhersagen, gilt es erstmal eine Abschätzung der Umrechnung auf das ausgesuchte Atoll zu machen. Darüber hinaus ist dann die Frage wie sich das Wasser im konkreten Atoll verhält, denn die Strömung kippt nicht unbedingt genau wenn die Tide kippt. Und weil es uns die Natur nicht ganz einfach machen möchte, hat auch noch das Wetter, insbesondere Wind und Welle der Vortage einen Einfluss. Die meisten Atolle sind im Südosten, also dem vorherrschenden Passatwind zugeneigt niedriger (stärker erodiert) und damit kann bei stärkerem Wind, höherer Welle von dort mehr Wasser in die Lagune eindringen als normalerweise über einen Pass. Das kann im Extremfall dazu führen, dass es an einem Pass nurmehr zu einer Hinausfließenden Strömung kommt, weil insgesamt zu viel Wasser in der Lagune ist, als dass es zu einer Hineinfließenden Strömung kommen kann.

Rückblick in den Pass des Kauehi Atolls, nachdem wir bei verbleibenden ~3kt hineinfließender Strömung kurz vor Hochwasser eingefahren sind

Es gibt hierzu alle möglichen Daumenregeln, aber eine exakte Wissenschaft ist das nicht. Letztendlich gilt auch einfach hinfahren, von der Ferne den Pass und die Verhältnisse begutachten und bei Bedarf auch auf bessere Bedingungen warten. Das kann im Extremfall auch mal ein paar Tage dauern bis man durch so einen Pass kommt.

Eine kleine weitere Herausforderung in den Pässen und in den Lagunen sind dann die Korallen, die bekanntlich kontinuierlich wachsen, und daher auch in keiner Seekarte abgebildet sind. Hier muss auch wieder die „Eyeball Navigation“ herhalten. Wir haben das Prinzip hier im Blog mal im Zuge unseres Los Roques Abenteuers erklärt. Darüber hinaus nutzen wir hier die Navigation auf Basis von Satellitenbildern. Da sieht man auch nicht jeden Korallenkopf, aber die sind von der Positionierung her zumindest recht genau, und man sieht recht viel an Hand von Wasserfarbe, wo sich die Wellen brechen, etc. Dazu kommt dann schon auch mal der Laptop zusätzlich zum Plotter zum Navigieren ins Cockpit.

Mit GPS Dongle am Rechner und in OpenCPN eingebundenem Satellitenbild steuern wir den Ankerplatz vor dem Dorf des Kauehi Atolls an.

Ist man dann mal in der Lagune und an einem möglichen Ankerplatz angekommen, gilt es sicherzustellen sich nicht mit der Ankerkette in den Korallenköpfen zu verfangen. Die Lagunen sind selbst am Rand häufig recht tief im Vergleich zu sonstigen Ankerplätzen. Wir sprechen hier eher in der Kategorie Ankern in 15-25m Wassertiefe, anstatt wie sonst häufig unter 15m. Darüber hinaus sind die wenigen Flecken Sandboden nicht groß genug. Würde man also einfach „normal“ Ankern, gibt es ein großes Risiko, dass sich die Ankerkette um Korallenköpfe wickeln. Das hat gleich mehrere Nachteile. Zum einen macht es natürlich die Korallen kaputt. Aber unabhängig davon kann es bedeuten, dass man auch nicht mehr so einfach Anker auf gehen kann, ohne mal gleich mit Tauchequipment zu versuchen die Ankerkette von den Korallen zu entwirren. Darüber hinaus scheuert sich die Galvanisierung der Ankerkette schneller ab und der Ketteneffekt (auch ein Sicherheitsmerkmal beim Ankern) reduziert sich oder fällt weg, falls sich die Kette Nahe beim Schiff in Korallen verfängt.

Nun, wie vermeidet man dies also nun möglichst? Das Konzept nennt sich „floating the chain“, im Wesentlich hängt man die Kette Großteils auf schwimmenden Bojen auf, sodass sie nicht am Meeresboden liegt. Dies hat natürlich den Nachteil, dass man einen Großteil der Kettenreibung am Boden verliert, die ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil der Sicherheit beim Ankern ausmacht, dafür hat man aber eben das Korallen-Verwickelungsproblem nicht. Man lässt somit je nach Wassertiefe nur 10m Kette am Meeresboden liegen. Ab Wassertiefe plus 10m Kettenlänge kommt alle ~5m eine Boje an die Kette.

Als Bojen verwenden wir hierzu lokal organisierte Perlfarm Bojen. Die sind Robust und haben auch im Unterschied zu Fendern kein Problem falls sie untergehen / unter Wasser rumhängen (Fender werden dabei eingedrückt, ggf das Ventil beschädigt, etc.).

Natürlich sollte man dabei etwas mehr Kette stecken, um den Verlust der Reibung der Kette am Boden zumindest etwas wett zu machen. Insgesamt funktioniert dies aber recht gut, mit etwas Übung verliert man auch bei den Ankermanövern keine Zeit.

Und wenn man nun dies geschafft hat, dann steht dem Atoll Genuss nichts mehr im Wege. Denn hier gibt es glasklares Wasser, ruhige Ankerplätze und traumhafte Natur, aber dazu dann mehr, wenn wir von unseren Tuamotus Erlebnissen berichten.